Willkommen zurück zum zweiten Teil unserer Reise nach Huangshan! Im letzten Beitrag haben wir bereits die majestätischen Berge erkundet, einige Wandertipps mit euch geteilt und euch die kulinarischen Köstlichkeiten der Provinz Anhui und der Region Huangshan vorgestellt. Heute nehme ich euch mit nach Hongcun, einem der berühmtesten und zweifellos schönsten Dörfer dieser Region.
Denjenigen, die den ersten Artikel gelesen haben, dürfte der Name bereits bekannt vorkommen, da wir das Dorf Hongcun als Übernachtungsmöglichkeit in Huangshan empfohlen haben.
Hongcun besticht durch seine gut erhaltene Architektur aus der Ming- und Qing-Dynastie und seine malerische Landschaft. Das Dorf wurde im 12. Jahrhundert gegründet und hat seine historische Struktur und sein kulturelles Erbe bis heute bewahrt.
Das Dorf ist bekannt für seine einzigartigen Wasserwege und halbmondförmigen Teiche, die im Alltag der Dorfbewohner eine wichtige Rolle spielen. Die Wasserwege und Teiche wurden nach den Prinzipien des Feng Shui angelegt, um den Energiefluss (Qi) zu lenken und ein harmonisches Gleichgewicht zwischen Natur und Mensch zu schaffen. Diese sorgfältig gestalteten Elemente sollen nicht nur das Wohlbefinden und Glück der Bewohner fördern, sondern auch eine positive Atmosphäre für das gesamte Dorf schaffen. Das Dorf besteht aus traditionellen Wohnhäusern, Ahnenhallen und beeindruckenden Steinbrücken, die zusammen ein faszinierendes Bild der traditionellen chinesischen Dorfkultur vermitteln.
Im Jahr 2000 wurden Hongcun und das benachbarte Dorf Xidi von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Hongcun ist nicht nur ein beliebtes Reiseziel für Touristen, sondern auch ein Ort, der häufig von Künstlern wie Malern und Fotografen besucht wird, die sich von seiner Schönheit und seinem historischen Charme inspirieren lassen. Hongcun diente auch als Drehort für Ang Lees vierfach Oscar-prämierten Film „Crouching Tiger & Hidden Dragon“.
Wenn du ein Hotel in Hongcun gebucht hast, kannst du den nächsten Teil überspringen. Für alle anderen Reisenden habe ich folgende Tipps:
Tips für deinen Besuch
- Unserer Meinung nach reicht ein Tag aus, um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Ortes zu besichtigen und auch ein wenig in einem Restaurant oder an einem ruhigen Plätzchen zu verweilen und die Landschaft zu genießen.
- Es empfiehlt sich, die An- und Abreise direkt im Hotel zu buchen, damit man sich nicht um eine Mitfahrgelegenheit kümmern muss. Die Preise für eine privat organisierte Fahrt sind in der Regel überschaubar. Oft werden auch Gruppenfahrten angeboten, bei denen man etwas Geld sparen kann. Öffentliche Taxis sind in Hongcun unserer Erfahrung nach schwer zu finden und auch das obligatorische Feilschen mit Fahrern vor Ort ist nicht jedermanns Sache. Eine weitere Möglichkeit ist die Anreise mit dem Bus, z.B. aus Huangshan City, Tangkou oder Xidi. Allerdings ist man hier nicht sehr flexibel, da die Busse nur wenige Male am Tag fahren.
- Eine geführte Tour durch den Ort ist unserer Meinung nach nicht notwendig, alles ist gut ausgeschildert, teilweise auch in Englisch und für den Fall der Fälle gibt es praktische Übersetzungs-Apps. Auch Proviant ist nicht unbedingt notwendig, es gibt unzählige kleine Restaurants und Shops vor Ort.
- Der folgende Link führt zu einer Übersichtskarte des Dorfes: Karte Hongcun. Aber auch am Ticketschalter vor Ort haben wir eine Übersichtskarte von Hongcun bekommen. Apropos Ticketschalter: Der Eintrittspreis beträgt derzeit 104 RMB (ca. 14 EUR) pro Person. Restaurants, Teestuben, Shops und Souvenirs kosten natürlich extra, auch einige Museen verlangen noch einmal eine kleine Gebühr von wenigen RMB.
Kommen wir nun zu einigen der schönsten Sehenswürdigkeiten von Hongcun. Wie eingangs erwähnt, sind es vor allem die Seen und Wasserwege, die Hongcun so attraktiv machen.
Direkt am südlichen Ortseingang liegt der Nanhu-See (南湖) – der Südsee. Er wurde vor über 600 Jahren während der Ming-Dynastie zur Wasserversorgung angelegt und verleiht der Umgebung eine natürliche Schönheit, die seit jeher viele Touristen anzieht.
Seine ruhige Wasseroberfläche wirkt wie ein natürlicher Spiegel, der die umliegenden traditionellen Gebäude und die üppige Landschaft im Hintergrund reflektiert. Diese Spiegelungen tragen wesentlich zur malerischen Schönheit des Sees bei und machen ihn zu einem beliebten Motiv in der chinesischen Kunst und Fotografie. Oft versammeln sich Hunderte von Kunststudenten am Ufer des Sees und versuchen, einen bestimmten Moment oder eine bestimmte Perspektive des Sees auf die Leinwand zu bannen. Gefällt einem ein Bild besonders gut, kann man es vor Ort kaufen. In China wird wirklich (fast) überall gehandelt. 😂
Der Mondteich (Yuezhao) ist ein Wasserbecken im Zentrum von Hongcun, das seinen Namen seiner halbmondförmigen Form verdankt. Wie sein größeres Gegenstück, der Nanhu-See, wurde der Mondteich während der Ming-Dynastie angelegt. Ursprünglich als Wasserreservoir zur Bewässerung und Brandbekämpfung genutzt, spielt der Teich eine zentrale Rolle im traditionellen Dorfleben. Seine halbmondförmige Form und Anordnung folgt den Prinzipien des Feng Shui und symbolisiert Harmonie und Gleichgewicht. Wie der Nanhu-See ist auch der Mondteich für seine hellen Spiegelungen in den umliegenden Gebäuden und Bäumen bekannt, die eine malerische Atmosphäre schaffen.
Direkt am Mondteich liegt die ehemalige Residenz der Familie Wang, ein prächtiges Gebäudeensemble mit aufwendigen Holzschnitzereien, kunstvollen Steinmetzarbeiten und fein gearbeiteten Ziegelstrukturen. Die Architektur folgt den Prinzipien des Feng Shui und ist auf Harmonie mit der umgebenden Naturlandschaft ausgerichtet.
Die Residenz besteht aus mehreren Höfen, Wohnhäusern, Ahnenhallen und Pavillons, die durch gewundene Gänge und Tore miteinander verbunden sind. Jeder Bereich erfüllt eine bestimmte Funktion und spiegelt die Hierarchie und den Lebensstil der Familie wider. Besonders beeindruckend sind die reich verzierten Türen und Fenster sowie die detailreichen Deckenmalereien.
Die Familie Wang war während der Ming- und Qing-Dynastie wohlhabend und einflussreich, vor allem im Handel. Durch geschickte Geschäfte und strategische Allianzen erwarben sie beträchtlichen Reichtum und förderten die Bildung, indem sie zahlreiche Gelehrte unterstützten, die wichtige Positionen in Verwaltung und Militär einnahmen.
Die Chengzhi-Halle wurde 1855 in der späten Qing-Dynastie erbaut. Die Halle diente als Familiensitz und ist ein Symbol für den Reichtum und Status der bereits erwähnten Wang-Familie.
Die Chengzhi-Halle ist ein herausragendes Beispiel traditioneller chinesischer Wohnarchitektur. Die Halle erstreckt sich über eine Fläche von rund 2.100 Quadratmetern und verfügt über 60 Räume. Das Gebäude ist bekannt für seine aufwendigen Holzschnitzereien an Türen, Fenstern und Balken. Die Schnitzereien zeigen Landschaften, Tiere, Figuren und mythologische Szenen, die mit großer Präzision und Kunstfertigkeit ausgeführt wurden.
Darüber hinaus gibt es noch viele andere beeindruckende Gebäude, kleine Parks und Hinterhöfe, romantische Wasserwege usw. Nehmt euch Zeit, um die Gassen dieser wunderschönen Stadt zu erkunden und konzentriert euch nicht nur auf die Hauptattraktionen. An fast jeder Ecke warten Überraschungen auf euch.
Kommen wir nun zum Essen. In Hongcun gibt es eine große Auswahl an authentischen Restaurants, Snacks und kleinen Leckereien (z.B. Mungobohnenkuchen). Da wir an einem heißen Sommertag unterwegs waren, hatten wir vor allem Lust auf etwas Erfrischendes, Leichtes und nicht zu Scharfes.
Wir entschieden uns für ein kleines, rustikales Restaurant (管老太 Guan Lao Tai) in der Nähe des alten Ginkobaumes (hier gibt es besonders viele Restaurants). Folgende Gerichte haben wir bestellt:
手工小笼包 (Shǒu Gōng Xiǎo Lóng Bāo) – „handgemachte kleine Dampftaschen“ – sind eine Variante der Xialongbao aus Shanghai – die wir bereits in einem anderen Blogbeitrag vorgestellt haben. Xiaolongbao sind chinesische Dampftaschen mit einer würzigen Fleischfüllung und einer köstlichen Brühe, die traditionell gedämpft serviert werden. Im Grunde gibt es keinen Unterschied zu den bekannten Xialongbao, die Vorsilbe 手工 bedeutet lediglich handgemacht.
笋干肉丝面 (Sǔngān Ròusī Miàn) ist ein traditionelles chinesisches Nudelgericht. Die Hauptzutaten sind getrocknete Bambussprossen (笋干), sowie dünne Schweinefleischstreifen (肉丝) und Weizennudeln (面).
Die Bambussprossen werden eingeweicht und gekocht, das Schweinefleisch mariniert und angebraten. Alles wird mit den gekochten Nudeln vermischt und mit Knoblauch, Frühlingszwiebeln und Gewürzen verfeinert. Dazu wird knackiger Pak Choi serviert. Das Gericht hat einen reichen Umami-Geschmack, eine herzhafte Note von der Marinade und eine interessante Texturkombination aus bissfesten Bambussprossen, zartem Schweinefleisch und weichen Nudeln. Außerdem duftet es herrlich nach den verschiedenen Zutaten wie Knoblauch und Frühlingssprossen.
黄山臭豆腐 (Huángshān chòu dòufu) oder 安徽臭豆腐 (Ānhuī chòu dòufu) ist eine Variante des bekannten Stinkender Tofu (den wir bereits in einem anderen Beitrag vorgestellt haben) aus der Provinz Anhui, insbesondere aus der Region Huangshan. Es handelt sich um fermentierten Tofu, der für seinen intensiven und oft als unangenehm empfundenen Geruch bekannt ist. Diese Variante wird frittiert und mit Chillisauce und Koriander serviert. Die knusprige Außenschicht des Tofus bildet einen angenehmen Kontrast zum weichen, cremigen Inneren. Die Chilisauce bringt eine scharfe, würzige Note, die den überraschend milden, leicht säuerlichen und umamiartigen Geschmack des fermentierten Tofus perfekt ergänzt. Das zitrusartige Aroma des Korianders sorgt für eine erfrischende Komponente.
绿豆豆花 (Lǜdòu Dòuhuā) ist eine traditionelle chinesische Süßspeise aus weichem Tofupudding und grünen Mungobohnen (绿豆, lǜdòu).
Der Tofupudding wird durch Gerinnen von Sojamilch mit einem Gerinnungsmittel hergestellt. Der Prozess ähnelt der Käseherstellung, bei der die Milch gerinnt und zu einer festen Masse wird. Sobald die Sojamilch geronnen ist, wird sie in Formen gegossen und gekühlt, bis sie fest ist. Die grünen Mungobohnen werden weich gekocht und leicht gesüßt.
Dieses köstliche Gericht hat einen milden, leicht süßlichen Geschmack mit einer erdigen Note der Bohnen und einer glatten, luftigen Textur des Tofus.
Klebreisbällchen in fermentierter Reisbrühe (酒酿汤圆 oder Jiǔniàng Tāngyuán) sind eine traditionelle chinesische Süßspeise.
Wir haben diese kleinen, klebrigen Reisbällchen namens Tangyuan schon einmal in einem Restaurant in Frankfurt probiert. Das Besondere an diesem Gericht ist die Reisbrühe namens Jiuniang, die aus gekochtem Klebreis hergestellt und mit Reiswein fermentiert wird. Die Kombination aus dem leicht alkoholischen Geschmack des Jiuniang und den weichen, klebrigen Reisbällchen ist sehr angenehm.
Neben heißem Wasser, das in China in der Regel kostenlos angeboten wird, haben wir Sojamilch (豆浆 – dòu jiāng) bestellt – ein traditionelles chinesisches Getränk aus Sojabohnen. Die Sojabohnen werden eingeweicht, gemahlen, mit Wasser vermischt und gekocht. Der Geschmack von Sojamilch ist cremig und leicht nussig, ähnlich dem von Kuhmilch, aber mit einer leicht süßlichen Note.
Beim anschließenden Bummel durch die Gassen von Hongcun fiel uns ein Geschäft für Reisschnaps auf. Hier gab es 桂花米酒 (Guìhuā Mǐjiǔ), ein chinesisches Getränk, das aus Reiswein (Mǐjiǔ) und Osmanthusblüten (Guìhuā) hergestellt wird. Die Osmanthusblüten verleihen dem Getränk einen blumig-süßen Duft und einen feinen Geschmack. Es gibt auch verschiedene Sorten mit fruchtigen Noten in diesem Geschäft.