Als wir an unserem ersten Morgen in Lissabon erwachten, fühlten wir uns in eine andere Zeit und Dimension versetzt. Die Nacht war ruhig und ohne Träume vergangen, und als das sanfte Morgenlicht durch das Dachfenster fiel, weckte die frische, klare Luft der Stadt sanft unsere Sinne. Es war, als würde neue Energie durch uns strömen, bereit für einen weiteren Tag in dieser pulsierenden und zugleich friedlichen Küstenstadt. Als wir die Augen öffneten, erstreckte sich vor uns der ruhige Fluss Tejo unter einem Himmel, der uns nah und doch unendlich fern erschien.
Nur wenige Schritte von unserer Unterkunft entfernt genossen wir ein klassisches Lissabonner Frühstück: knuspriger Speck, Schinken, Käse, ein fluffiges Omelette und natürlich die berühmten Pastéis de Nata (Blätterteigtörtchen mit Konditorcreme). Dazu frisch gepresster Orangensaft, eine dampfende Tasse Schwarztee und ein Obstsalat – der perfekte Start in einen energiegeladenen Tag.
Unser reichhaltiges Frühstück ist eher etwas für diejenigen, die sich für einen langen und anstrengenden Tag (z.B. ausgiebiges Sightseeing) stärken wollen. In Lissabon dagegen beginnen die Einheimischen ihren Tag meist mit etwas Leichtem und Einfachem – oft mit Kaffee und etwas Gebäck. Beliebt sind zum Beispiel ein Espresso oder ein Galão, dazu ein Pão de Deus oder ein Pastel de Nata. Diese berühmten Törtchen mit ihrem knusprigen Blätterteig und der cremigen Füllung aus Eigelb, Zucker, Sahne und Mehl passen nach Meinung vieler Einheimischer am besten zu einem starken Kaffee und bringen auf köstliche Weise das Lebensgefühl dieser Stadt zum Ausdruck.
Unsere erste Station an diesem Tag ist das Kloster Convento do Carmo, eine beeindruckende Klosterruine, die mit ihren verwitterten Mauern unter freiem Himmel ein Zeugnis der Geschichte Lissabons ist. Einst eine prächtige gotische Kirche, wurde das Kloster durch das verheerende Erdbeben von 1755 bis auf wenige tragende Strukturen zerstört und nicht wieder aufgebaut – ein eindrucksvolles Symbol für die unberechenbare und oft zerstörerische Kraft der Geschichte.
Die freiliegenden Außenmauern und Gewölbebögen und das dachlose, sonnendurchflutete Kirchenschiff verleihen dem Ort eine geheimnisvolle, andächtige Stimmung, als sei die Zeit stehen geblieben.
Die Klosterkirche von Carmo ist von leuchtend violetten Jacarandablüten umgeben, die ihr eine romantische Atmosphäre verleihen. Diese widerstandsfähigen und schönen Pflanzen bilden eine einzigartige und berührende Kulisse, die sowohl die bewegten Momente der Geschichte Lissabons als auch ihre Schönheit widerspiegelt.
Heute beherbergt die Klosterkirche von Carmo ein archäologisches Museum mit einer beeindruckenden Sammlung von Artefakten aus verschiedenen Epochen. Zu sehen sind mittelalterliche Gräber, antike Skulpturen und Relikte aus der Geschichte des Klosters selbst. Es gilt als das erste Kunst- und Archäologiemuseum des Landes und ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Der Eintritt beträgt ca. 5 Euro pro Person und der Besuch dauert in der Regel 1 bis 2 Stunden (mehr Infos hier). Ein besonderes Highlight ist „Lissabon unter den Sternen“. Im offenen Kirchenschiff des Carmo-Klosters findet eine multimediale Licht- und Tonshow statt (Eintritt ca. 20 Euro pro Person), bei der die Geschichte Lissabons lebendig auf die alten Kirchenmauern projiziert wird. So entsteht eine faszinierende nächtliche Atmosphäre mit Tanz, Klang und beeindruckenden visuellen Effekten (mehr Infos hier).
Vorbei am Convento do Carmo eröffnet sich ein weites Panorama mit den für Lissabon typischen roten Ziegeldächern und weiß getünchten Häusern. Direkt vor uns liegt die Brücke, die zum Aufzug Santa Justa führt. Von hier aus bietet sich ein atemberaubender Blick weit in die Ferne.
In der Ferne thront das majestätische Castelo de São Jorge stolz über der Stadt, während eine breite Allee durch das Herz der Stadt führt und ihr einen charmanten, aufgeräumten Charakter verleiht. Ein frischer Wind weht uns um die Ohren und vermittelt uns ein Gefühl von Freiheit und Klarheit.
Der 1902 fertiggestellte Aufzug Santa Justa ist eines der bekanntesten Wahrzeichen Lissabons und ein herausragendes Beispiel für die Ingenieurskunst des frühen 20. Jahrhunderts. Der von Raoul Mesnier du Ponsard, einem Schüler von Gustave Eiffel (dem Erbauer des Eiffelturms), entworfene Aufzug besticht durch seinen industriellen und zugleich eleganten Charme. Er ist vollständig aus Eisen gefertigt und mit filigranen neogotischen Motiven verziert.
Am Fuße des Aufzugs befindet sich die Statue einer Frau, die wie eine Kriegerin aussieht und mit einem Mini-Staubsauger bewaffnet ist.
Wir haben uns gefragt, ob diese Statue eine Anspielung auf die Rolle der Frau und ihre oft unterschätzte innere Stärke und Ausdauer im heutigen Alltag ist. Könnte die Tatsache, dass sie statt einer konventionellen Waffe einen Haushaltsstaubsauger in der Hand hält, ein Hinweis darauf sein, dass ihr Einfluss oft auf häusliche Pflichten beschränkt ist? Eine ironische und spielerische Darstellung aktueller gesellschaftlicher Themen.
Die Fahrt mit dem Aufzug bietet eine einzigartige Perspektive auf die Stadt, allerdings kann die Warteschlange vor allem in der Hochsaison sehr lang sein (Wartezeiten von über einer Stunde sind keine Seltenheit). Die Fahrt kostet derzeit 5,30 € inklusive Eintritt zur Aussichtsplattform.
Unserer Meinung nach lohnt sich das Warten aber nicht wirklich. Über die Brücke, die mit dem Aufzug verbunden ist, erreicht man fast die gleiche Höhe und hat ebenfalls eine fantastische Aussicht – eine tolle Alternative, ohne lange in der Schlange stehen zu müssen.
Vom Aufzug Santa Justa sind es etwa 10 bis 15 Minuten zu Fuß bis zum Praça do Comércio. Auf dem Weg dorthin ist man umgeben vom geschäftigen Treiben der Stadt – das Brummen der Autos, das Geschwätz der Menschen und ab und zu das Rattern der alten Lissabonner Straßenbahn, die einem das Gefühl gibt, in die Vergangenheit einzutauchen. Die Straßen und Bürgersteige sind nicht sehr breit, was es für Fußgänger etwas beschwerlich macht, aber der gemächliche Verkehr ist eher eine Ablenkung als eine wirkliche Gefahr.
Als wir unseren Weg fortsetzen, lässt die Geräuschkulisse allmählich nach. Die Stadt beginnt sich vor uns zu öffnen und bald stehen wir am Rande des Praça do Comércio. Dieser großzügige Platz, umrahmt von strahlend weißen und warm sonnengelben Gebäuden, wirkt selbst inmitten der Menschenmassen unglaublich weitläufig.
Die Farben Weiß und Gelb prägen den pombalinischen Baustil. Nach dem verheerenden Erdbeben von 1755 wurde das Viertel unter der Leitung des Marquis von Pombal wieder aufgebaut, um die Wiedergeburt Lissabons zu symbolisieren. Gelb steht für Optimismus und Energie, Weiß für Reinheit und Licht.
Rund um den Platz laden elegante Cafés und Restaurants zum Verweilen ein. In Wassernähe sorgen kleine Stände mit Erfrischungen und Souvenirs für eine lebendige Atmosphäre.
Blickt man über den Tejo, sieht man die markante rote Ponte 25 de Abril (Brücke des 25. April), die ein wenig an die Golden Gate Bridge in San Francisco erinnert. Auf der anderen Seite erhebt sich die Statue des Cristo Rei. Sie blickt mit ausgebreiteten Armen über Almada und sorgt symbolisch für Frieden und Schutz in der Stadt. Auch hier fühlt man sich an ein bekanntes Denkmal erinnert, nämlich an die Statue des Cristo Redentor („Christus der Erlöser“) in Rio de Janeiro, Brasilien. Der Besuch, einschließlich der Überquerung der Brücke, dauert in der Regel 2 bis 3 Stunden. Alternativ kann man von Lissabon aus mit dem Bus oder der Fähre anreisen. Die Gegend um Cristo Rei ist ruhig und es gibt viele traditionelle Fischrestaurants am Flussufer. Da wir nur wenige Tage zur Verfügung hatten, beschlossen wir, die Statue auszulassen und uns stattdessen auf die Hauptattraktionen Lissabons zu konzentrieren.
Nach einem erlebnisreichen Tag ist es an der Zeit, sich etwas Leckeres zu gönnen. Unser Tipp: die versteckte Perle Taverna Alfacinha. Auf den ersten Blick unscheinbar, überzeugt sie mit frischen, köstlichen Gerichten – ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.
Als erstes stehen die Mexilhão-Miesmuscheln mit Knoblauch auf dem Programm. Dieses Gericht besteht aus richtig leckeren, frischen Miesmuscheln, die in einem orangenfarbenen Sud schwimmen und vor Geschmack nur so strotzen.
Der Sud ist eine reichhaltige Mischung aus Olivenöl, Knoblauch, Weißwein, etwas Paprika oder Tomate und dem natürlichen Saft der Muscheln. Diese Kombination harmoniert mit dem salzigen Aroma der Muscheln und bildet eine würzige Basis mit frischer Säure und einem leicht rauchigen Geschmack. Frischer Koriander und ein Spritzer Zitrone sorgen schließlich für eine zitrusfrische, kräuterige Note.
„Salmão“, gegrillter Lachs, wird in der Taverne Alfacinha mit gegrilltem Gemüse wie Brokkoli, Blumenkohl, Karotten und Paprika serviert, das nicht nur farbenfroh, sondern auch reich an Nährstoffen ist. Gekochte Kartoffeln runden das Gericht als sättigende Beilage ab.
Der Lachs wird auf den Punkt gegrillt und ist weder stark gebräunt noch verbrannt. Durch das Grillen am Stück bleibt das Fleisch schön saftig und die hochwertigen Fischöle können sich gut verteilen und intensivieren den Geschmack. Der natürliche Fettgehalt kommt optimal zur Geltung und verleiht dem Lachs eine butterzarte, fast schmelzende Textur, die durch das feine Raucharoma des Grills wunderbar abgerundet wird. Ein Gericht, das die portugiesische Liebe zur frischen und unverfälschten Küche perfekt einfängt.
Arroz de Polvo (Tintenfischreis) ist ein traditionelles portugiesisches Gericht, das für echte portugiesische Hausmannskost steht. Es wird häufig bei Familienfeiern und besonderen Anlässen serviert. Obwohl es oft mit der spanischen Paella verglichen wird, hat Arroz de Polvo seinen eigenen portugiesischen Charme.
Charakteristisch für dieses Gericht ist der perfekt gekochte Reis, der in einer dicken, schmackhaften Brühe schwimmt. Die reichhaltige Suppe in verführerischen Rot- und Brauntönen besticht durch ihr komplexes Aromenspiel und wird aus einer harmonischen Mischung von Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch und Paprika zubereitet, die ihr nicht nur eine kräftige Farbe, sondern auch einen leicht rauchigen Geschmack verleihen.
Der Tintenfisch schmeckt nicht nur köstlich, sondern hat auch einen leichten Biss, der perfekt mit dem zarten Reis harmoniert. Das Tüpfelchen auf dem i sind frische Frühlingszwiebeln und Koriander, die großzügig unter die zarten Tintenfischstücke gemischt werden.
Lissabon ist eine faszinierende Stadt, in der das Leben in vollen Zügen zelebriert wird. Mit ihrer warmen und einladenden Atmosphäre vereint sie eine reiche Geschichte und ein tiefes kulturelles Erbe. Der Reiseführer Lonely Planet zählte Lissabon einst zu den zehn besten Städten der Welt, und doch ist sie überraschenderweise eine der am wenigsten besuchten Hauptstädte Europas.
Das Stadtzentrum lässt sich am besten zu Fuß erkunden. Nächstes Mal schlendern wir durch den Stadtteil Alfama, erkunden traditionelle portugiesische Gassen, besuchen die majestätische Kathedrale von Lissabon und das historische Castelo de Sao Jorge.